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Mit Staatsabbau gegen Rentenklau





Das Modewort «Rentenklau» ist in aller Munde. Doch den Namen des eigentlichen Rentenbetrügers in den Mund zu nehmen, vermag kaum jemand. Dabei ist es gerade der Staat, welcher seinen Bürgern und mit ihnen den Rentnern immer weniger belässt. Folglich gilt es, nicht die AHV zu stärken, sondern den Staat zu entschlacken.


Erst neulich habe ich mit meinem Vorsorgeberater zusammengesessen. „Wie so oft ist die Schweiz auch im Bereich der Rentenvorsorge ein Sonderfall“, setzte der Versicherungsheini in überaus pathetischem Ton zu seiner Rede an. „Natürlich ein erfolgreicher, sind Schweizer Institutionen – in ihrer Vereinigung hinlänglich als 3-Säulen-Prinzip bezeichnet – den Einrichtungen anderer Staaten überlegen.“ Bereits nach diesen ersten einführenden Worten meines Gegenübers hatte ich nachzuhaken. Zugegebenermassen, meine Frage, weshalb dann die Schweiz am 25. September über eine Initiative abzustimmen hätte, welche die eben angepriesene Rentensituation – jedoch scheinbar nicht zufriedenstellende Situation unserer Schweizer Pensionäre zu verbessern beabsichtigt – ist eine provokative. Dennoch glaubte ich, diese aus meiner Sicht nicht ganz so abwegige Frage stellen zu müssen. „Natürlich steht auch mit dem Schweizer System nicht alles zum Besten“, erwiderte mir der etwas ob meiner Frage irritierte Versicherungsberater. Nach einer kurzen, irgendwie peinlichen Stille, welcher der Mann im Anzug wohl dafür verwendete seine Gedanken zu sammeln, fügte er noch an: „Zu meiner Verteidigung, die AHVplus-Initiative verbessert übrigens gar nichts.“ Mit dieser Pointe im Sack machte er sich dann daran, meine persönliche Vermögenssituation genauer zu studieren.


Rückblickend, so kann ich sagen, hat mein Vorsorgeberater in vielerlei Hinsicht richtig gelegen. Gewissermassen auch beruhigend, haben wir ja immerhin über sein Fachgebiet gesprochen. Pragmatisch-realistisch betrachtet, ist das Schweizer Rentensystem vergleichsweise in der Tat eines der wohl am wenigsten schlecht funktionierenden. Wer sich hingegen die ideologisch-kritische Brille aufsetzt, erkennt, dass auch unser Modell systemimmanente Mängel vorzuweisen hat. Wenn auch oft das Gegenteil behauptet wird, so sind diese genauso real und treten je länger je mehr ans Tageslicht. Obschon emsig versucht, vermögen selbst aus dem linken Lager abgefeuerte Nebelpetarden die sich verschärfende Lage nicht zu kaschieren.

Gewiss kursieren im öffentlichen Diskurs unterschiedliche Berechnungen darüber, wie viel die AHV-Finanzierungslücke effektiv ausmacht. In einem Faktenblatt aus dem Jahr 2014 spricht das Bundesamt für Sozialversicherung von 8,3 Milliarden Franken, welche der AHV ohne Reformen im Jahre 2030 fehlen würden. Wie gross die tatsächliche Finanzierungslücke sein wird, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand genau sagen. Mit Zahlen zu jonglieren macht deshalb wenig Sinn. Tatsache ist, dass ein grosser Batzen Geld bereits fehlt und ein noch grösserer fehlen wird.


Verwundern sollte dies aber allerdings nicht. Die auf dem Umlageverfahren basierende AHV ist darauf ausgerichtet, die über die erwerbstätige Bevölkerung eingenommen Beiträge gleich wieder an die Pensionäre auszubezahlen. Eine wirkliche Kapitalakkumulation, das eigentliche Herzstück einer Altersvorsorge, findet nicht statt. Das Geld fliesst gleich wieder in den Konsum. Unter diesen Vorzeichen ist leicht nachvollziehbar, dass die AHV eine wenig flexible Einrichtung ist. Verändert sich auf der einen Seite der Gleichung auch nur schon eine Variable, während auf der anderen Seite keine Änderungen eintreten, kommt das fragile Gleichgewicht ins Wanken, bis es schliesslich ganz aus den Fugen gerät. Mit der sich wandelnden Demografie, der kontinuierlichen Alterung unserer Gesellschaft und der zurückgehenden Geburtenrate haben sich exakt derartige Variablen geändert. Eine Entwicklung, die natürlich hätte vorausgesehen werden müssen. Vermutlich war man sich derer auch bewusst. Dieser hingegen Rechnung tragen zu wollen, wurde – ganz im Sinn der realen Politik – jedoch als nicht erforderlich erachtet. Den in Kauf genommenen Schlamassel haben so oder so spätere Generationen auszubaden, von deren Seite zum Zeitpunkt der Entscheidung glücklicherweise aufgrund der zeitlichen Verschiebung noch überhaupt kein Widerstand kommen konnte.

Diesen Schlamassel kriegen die heutigen Rentner nun zunehmend zu spüren. Die Befürworterseite wird nicht müde zu beteuern, dass sich die künftigen Pensionskassenrenten im freien Fall befänden. Viele Leute würden Reduktionen von 10 bis 20 oder gar 30% erleben. Denn nicht nur die AHV ist unter Druck gekommen, ebenfalls die berufliche Vorsorge. Angesichts der den Negativzinsen geschuldeten, äusserst mageren Aussichten auf dem Kapitalmarkt haben die Pensionskassen vermehrt grosse Mühe, die über einen Umwandlungssatz bestimmten Rentenauszahlungen sicherzustellen. Damit die 2. Säule nicht zu einer AHV-light verkommt, gilt es, den Umwandlungssatz zu senken. Der Bund hat hierfür im Rahmen seiner Strategie «Altersvorsorge 2020» vorgesehen, diesen Richtwert von 6,8% auf 6% zu senken. Gemäss Experten, wie beispielsweise dem Professor für Finanzwirtschaft Martin Jansen, ist eine solche Reduktion immer noch nicht ausreichend. Auch in der Realität sind einige Pensionen dazu übergegangen, ihren Umwandlungssatz weit unter die 6% zu korrigieren. Die CS-Pensionskasse will diesen bei einer Pensionierung im Alter von 65 Jahren von 6,054% im Jahr 2016 auf 4,865% im Jahr 2025 senken. Die BVK drosselt deren Satz auf 4,87%.


Bezeichnend ist, dass die Politik versucht, der sich ändernden Demografie zu trotzen, indem an etlichen Schrauben des Systems krampfhaft gedreht wird. Neben der erwähnten Senkung des Umwandlungssatzes bei der beruflichen Vorsorge soll insbesondere die AHV über etliche Massnahmen am Leben erhalten werden. Zur Debatte stehen unter anderem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, ein gleiches Rentenalter für Mann und Frau (das entspricht einem Heraufsetzen desjenigen der Frauen) sowie den Bundesbeitrag an die AHV zu ändern. In der Summe – so hofft man – werde dieses Gesamtpaket die 1. und 2. Säule wieder stabilisieren.


In Tat und Wahrheit sind diese möglichen Vorkehrungen lediglich, wie man gut schweizerisch sagen würde, «Pflästerlikosmetik». Eine finanzielle Aufbesserung der Vorsorgekassen über Mehrwertsteuererhöhung und grössere Bundesbeiträge mag den Pensionären vielleicht eine etwas höhere Rente einbringen. Gleichwohl sehen sich diese mit einer höheren Steuerlast konfrontiert, sind Mehrwertsteuererhöhung und Ausweitung der Bundesbeiträge nicht gratis.

Genau an dieser Stelle liegt nämlich der Hund begraben. Ist es doch der ausufernde Staat, welcher nicht nur den Erwerbstätigen, sondern auch den Rentnern immer weniger in deren Portemonnaie belässt. Eine 2003 vom Bundesrat in Auftrag gegebene Studie hat gezeigt, dass die Fiskalquote der Schweiz von 1970 bis zur Jahrtausendwende um 50% angestiegen ist. Zumal der Bundesrat eher im Verdacht stehen könnte, diese Statistik, sprich den Anstieg, weniger drastisch aussehen zu lassen, ist dieser Zuwachs wohl als real zu werten. In der Tat ist eine höhere Fiskalquote mehr als plausibel, können die Schweizer Bürger diese in ihrer persönlichen Buchführung und Abrechnung am Ende des Jahres gewiss ablesen. Den Zahlen kann weiter entnommen werden, dass die Belastung durch die direkte Bundessteuer über die letzten 60 Jahre um das 2,78-Fache zugenommen hat. Damit liegt dieser Zuwachs nur marginal über jenem für die Kantone (das 2,74-Fache) und nicht stark über dem der Gemeinden (das 2,21-Fache).


Neben der eigentlichen Steuerlast hat die Schweizer Bevölkerung zudem verschiedene staatlich erlassene Gebühren und Sonderabgaben zu schultern. Die bekannteste dieser Gebühren ist sicherlich die Radio- und TV-Gebühr, die sogenannten Billag-Gebühren. Dazu kommen weitere Gebühren bei der Abfallentsorgung (Kehrichtgebühr), Abwasserentsorgung, Wasserversorgung sowie Gebühren bei den Strassenverkehrs- und Schifffahrtämtern, welche erst in den letzten Jahrzehnten festgesetzt wurden. Wenngleich über diese Gebühren das Verursacherprinzip befördert werden kann und daher als grundsätzlich sinnvoll erachtet werden können, stellt sich die Frage, weshalb die allgemeinen Steuern nicht gesenkt werden. Wenn doch die Gebühren die Ausgaben staatlich notwendiger Aufgabenfelder decken, sollte dies der Fall sein.

Über Steuern und staatlich verordnete Gebühren sowie sonstige Abgaben werden die Bürger von ihrem Staat direkt geschröpft. Dass staatlicher Einfluss den Geldsäckel seiner Untertanen hingegen weitaus mehr belastet, muss einer ehrlichen Seele einleuchten. Denn zwei Drittel der Preise des Konsumenten-Warenkorbs in der Schweiz sind staatlich diktiert. Dazu gehören die Krankenkassenprämien, der Mietzins, etliche Nahrungsmittelpreise oder Energiepreise. Die staatliche Einwirkung über Vorschriften, Regularien und Richtlinien im Bereich des Gesundheitssystems und des Immobilienmarkts sind logische Kostentreiber. Steigende Krankenkassenprämien schlagen bei Pensionären ebenso zu Buche wie bei der übrigen Bevölkerung. Zudem sind Rentner in ihrem Alter oft auf eine Mietwohnung angewiesen, was diese besonders anfällig für Mietzinserhöhungen macht. Dass Nahrungsmittelpreise nicht anzuziehen vermögen, liegt wohl an der noch immer steigenden Produktivität der Produzenten, welche im Normalfall sogar zu einer Preisreduktion führen würde. Die Energiepreise sind in der Schweiz über die letzten Jahre tendenziell stabil geblieben. Zukünftige Preiserhöhungen sind allerdings nicht auszuschliessen. Wagt man den Blick nach Deutschland, deren Energiepolitik die Schweiz um ein paar Jahre versetzt nachahmt, erscheinen höhere Preise wahrscheinlich. Ebenfalls staatlich administriert sind die Preise des Strassen- und Schienentransports. Nicht nur deren Preise sind in staatlicher Hand, ist doch der ganze öffentliche Verkehr, allen voran die SBB für den Schienenverkehr, verstaatlicht. Eine Tatsache, welche die stetigen Preissteigerungen aller Art, in erster Linie aber der Billette vollends plausibel macht.

Einen einschneidenden, direkten Negativeffekt mag sicherlich das Niedrigzinsumfeld haben. Nicht nur die für den Rentner sparenden Vorsorgekassen geraten unter Druck, sondern auch der pensionierte Sparer selbst, dessen Aussichten sich beträchtlich verschlechtert haben, über die 3. Säule Privatvermögen anzulegen. In gewisser Weise werden sie ihrer naturgegebenen Einnahmequelle beraubt, wird es immer schwieriger, mit dem Vermögen ein Einkommen aufrechtzuerhalten.


Angesichts dieser nüchternen Tatsachen ist es ein Hohn, ein staatliches Konstrukt finanziell ausbauen zu wollen, welches über ein instabiles Umlageverfahren den Konsum anstelle von Ersparnissen fördert. Viel eher gilt es, das System der 1. Säule geordnet zurückzufahren, dasjenige der 2. Säule regulatorisch zu entschlacken, um die Renten mittels gut austariertem Kapitaldeckungsverfahren und privater Vorsorge sicherzustellen. Noch entscheidender ist indes, die Renten von unsinnigen Abgaben, Gebühren und Steuern zu entlasten. Wer die Pensionäre wirklich stärken will, der setze sich für einen Rückzug des Staates aus oben genannten Bereichen ein. Nur so wird der Rentner auf lange Sicht mehr von seiner Rente haben.

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