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Pogba und die Geldschwemme



Er ist der unangefochtene Kronprinz unter den Sportarten. Der Fussball. Kein anderer Sport vermag weltweit grössere Massen in seinen Bann zu ziehen, keiner Weltmeisterschaft wird derart eifrig entgegengefiebert wie jener des Fussballs, nichts auf diesem Planeten wird öfters getreten als das kleine, runde Leder. In gewisser Weise ist Fussball nicht Sport, sondern Sport ist Fussball.

Und doch scheint die Krone des Prinzen seit einiger Zeit etwas gar schief auf dessen Haupt zu sitzen. Immer brutaler und rücksichtsloser werdende Hooligans und Grobiane prägen die Fussballspiele und deren Ambiente nach dem jeweils erfolgten Schlusspfiff. Während andere Sportarten nach Spielende regelmässig ein gemütliches Ausklingen des Sporterlebnisses ermöglichen, muss beim Fussball oft eine nicht zu vernachlässigende Anzahl rivalisierender Fans durch teure Polizeiaufgebote in Schach gehalten werden.

Doch sind diese Vandalen nicht die einzigen, welche dabei sind, den Fussball kaputt zu machen. Schädlich sind in vielerlei Augen auch die Korruptionsskandale rund um die FIFA, welche die Fussballwelt und mit ihr die übrige Gesellschaft erschüttert haben. Über den Grad der Zerstörungsgewalt dieser Vorkommnisse kann allerdings debattiert werden, besteht darüber mitnichten eine Einigkeit.

Übereinkunft scheint hingegen bezüglich eines anderen, noch unangenehmeren Umstands zu herrschen. Dass dem Fussball in der Tat alle Zacken aus der Krone zu fallen drohen, zeigt die unheimlich anmutende Verkommerzialisierung der populärsten Ballsportart.

Mit der offensichtlich vonseiten Manchester Uniteds bestätigten Rekordsumme von sagenhaften 120 Millionen Euro für den französischen Fussballer Paul Pogba ist dieses Jahr eine neue Marke gesetzt. Ein Betrag, der allseits für verstörtes Kopfschütteln sorgt und sogar den ebenfalls neu verpflichteten Trainer der Red Devils, José Mourinho, zur irritierenden, zugleich aber ehrlichen Aussage hinreissen lässt, wonach der Markt verrückt geworden sei. Wenn auch viele seiner gemeinhin für arrogant gehaltenen Äusserungen wenig Beifall finden, so stimmen dem Spitzentrainer in dieser Hinsicht umso mehr Menschen frenetisch zu. Und das nicht zu unrecht.

In der Tat sind es astronomisch hohe Summen, welche dieses Jahr einmal mehr auf dem Transfermarkt des Fussballs vereinbart worden sind (Pogba 120 Mio. Euro, Higuaín 90 Mio. Euro, Hulk 56 Mio. Euro). Dass der Begriff «astronomisch» aufgrund der im Zug von Finanz- und Staatsschuldenkrise gesprochenen Hilfspaketen und Liquiditätsspritzen in Milliardenhöhe mittlerweile durch «ökonomisch» ersetzt werden müsste, sollte bei der nächsten Rechtschreibreform durchaus in Betracht gezogen werden. Hat man sich doch in der Zwischenzeit immer mehr damit abgefunden. Nicht so im Fussball. Spielt bereits die Wirtschaftswelt verrückt, hat wenigstens noch die Welt des Sportes unbescholten zu bleiben.

Bedauerlicherweise scheint jedoch ebenfalls der Fussball immer stärker durch das verheerende Virus des Raubtier- und Turbokapitalismus verseucht, klagen insbesondere antikapitalistische Gruppierungen. Fussballklubs wie Real Madrid, Bayern München oder eben Manchester United sind nicht mehr nur Sportvereine, sondern haben längst zu erfolgshungrigen Unternehmen mutiert. Um sportlichen und damit auch finanziellen Erfolg haben zu können, gilt es, die besten Spieler ins Boot bzw. ins Team zu holen. In einem erbitterten Wettbewerb wird um Rohdiamanten sowie bereits etablierte Fussballer gefeilscht. Ertragschancen und Nutzen werden mittels finanzökonomischen Modellen ermittelt, sind die Fussballprofis doch so etwas wie das Anlagevermögen der Klubs. Wie jedes grosse Unternehmen, so müssen auch die Barcas und ManUs dieser Welt Kreditsummen von Finanzinstituten zugesprochen erhalten. Die Unsummen an Geld, welche von Saison zu Saison umgesetzt werden, können ohne die Aufnahme von Krediten unmöglich gestemmt werden. Das Epizentrum sich stetig überbietender Preise hat somit bei den Banken, den Inbegriffen des Kapitalismus, zu liegen. Deren unersättliche Gier nach ständig mehr Profit treibt diese dazu, Kredite in immer höheren Beträgen und mit stetig zunehmender Leichtfertigkeit zu gewähren. Die Kritiker glauben, die kausale Ursache ausgemacht zu haben. Grundübel sei der ungezügelte Markt, welcher sich rücksichtslos seinen Weg zu bahnen versucht und dabei die Preise unaufhaltsam in die Höhe treibe.


Aus der Warte des heutigen Zeitgeistes mag der vermeintlich ach so tief grabende, typisch links politisierende Systemkritiker mit derartigen Anschuldigungen und Vorwürfen vielleicht mächtig Sympathiepunkte sammeln. Richtig liegt er mit seiner Kritik indessen nicht, greift diese doch viel zu kurz. Wer sich seiner ideologischen Scheuklappe entledigt, der vermag zu erkennen, dass die Kredit vergebenden Finanzinstitute den eigentlichen Verursachern heutiger Zustände bloss vorgeschoben sind. In gewisser Weise als nützliche Idioten, in deren Rolle sie allerdings noch so gerne schlüpfen, profitieren diese vom aktuellen System genauso.

Aufrechterhalten werden die heutigen Zustände durch die mächtigsten Akteure auf dem Markt, die Zentralbanken. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Notenbanken Basisgeldmenge vervielfacht. Wurden zu Beginn vor allem taumelnde Banken gerettet, werden mittlerweile auch bereitwillig Schuldpapiere von privaten Unternehmen gekauft. Es hat sich eine regelrechte Geldflut in Gang gesetzt, die in erster Linie in Form elektronischer Nummern und Zahlen existiert – das sogenannte Buchgeld. Wenn auch die Zentralbanken mit ihrer aktuellen, hinlänglich als unkonventionell bezeichneten Geldpolitik den siechenden Bankensektor zumindest in deren Anfangsphase mit Liquiditätsspritzen alias Anleihenkäufen vor dem Untergang „gerettet“ hatten, so war dessen offizielles Ziel alsbald ein anderes: das Ankurbeln der Wirtschaft. In grosser Zahl kauf(t)en die Zentralbanken den Geschäftsbanken Staatsanleihen (was ganz nebenbei erwähnt natürlich die Finanzierung von Staaten ist) und andere Schuldverschreibungen ab und liefer(te)n diesen im Gegenzug frisches Geld. Mit der Folge, dass letztere heute in Überschussreserven schwimmen.

Nicht zuletzt aufgrund Opportunitätskostenüberlegungen wollen diese Überschussgelder gewinnbringend angelegt sein. Die Zentralbanken, allen voran die EZB und die Schweizer Nationalbank, sind hierfür eher weniger lukrative Anlagehorte, verrechnen diese für bei ihnen hinterlegte Einlagen doch mittlerweile einen negativen Zins. Also gilt es mit diesen Überschussgeldern, kredithungrige Firmen aus der Privatwirtschaft zu belehnen. Wie sich in der Realität aber zeigt, findet eher eine verhaltene Kreditvergabe an mittelständige Unternehmen und Industrie statt. Begründet wird dieser Umstand mit der anhaltenden Investitionshemmung vonseiten der Privatwirtschaft, welche die momentane ökonomische Lage nach wie vor für zu instabil und wenig vielversprechend erachtet. Die Gelder gelangen nur harzig in die Realwirtschaft – sehr zum Bedauern der Notenbanken. Der klassische Fall von Kreditdeflation als Folge monetärer Tektonik.

Die Fussballclubs scheinen – so lassen die von ihnen bewegten Millionen vermuten – diesem Trend zu trotzen. Offensichtlich nehmen diese die günstige Möglichkeit wahr, sich wegen der geringen Zinsen billig verschulden zu können. Und auch die Banken verspüren in diesen Fällen anscheinend weniger Hemmungen. Die geringeren Bedenken sind mitunter darauf zurückzuführen, dass die Vereine den auf Pump gekauften Fussballer via Versicherungsgeschäfte absichern. So geschehen im Fall von Cristiano Ronaldo. 103 Millionen Euro würden Real Madrid pro Bein für den dreimaligen Weltfussballer ausbezahlt bekommen. Auch dies ist eine absurd hohe Summe und ebenfalls unserem Papiergeldsystem geschuldet. Dem Fussballclub soll es recht sein, ist eine Absicherung bei derartigen Geschäften sinnvolle Pflicht.

Vor diesem Hintergrund ist es aus der Sicht der Bank nur logisch, einen grossen Fussballverein mit hoher Geldsumme zu belehnen, als viele Kredite in bilanztechnisch mühseligerer Arbeit an kleinere Unternehmen ausgeben zu müssen. Die Forderung der Zentralbanken, den produktiven Wirtschaftssektor mit Liquidität zu versorgen, scheinen die Banken mehr schlecht als recht zu erfüllen. Noch sind wir nicht so weit, dass Notenbanken den Geschäftsbanken, besser gesagt ihren Handlangern, vorschreiben können, auf wessen Kreditanfrage diese einzugehen haben. Die Geschäftsbanken entscheiden nach wie vor selber. Stehen diese plötzlich vor Liquiditätsengpässen oder gar vor einem Bankrott, kann immer noch beim Staat angebiedert werden oder aber die Zentralbank als Kreditgeber letzter Instanz aufgesucht werden. Diese impliziten Garantien sind es, welche die Risikobereitschaft erhöhen, während die Vorsicht abnimmt. Die Bankverantwortlichen wissen, dass wenn es in den Bilanzen brennt, die jeweilige Notenbank den Brandherd mit einer Geldschwemme notfalls löschen wird.

Bestes Beispiel hierfür liefert wiederum der königliche Verein aus Madrid und die mit ihm Kreditgeschäfte eingegangen Banken. Wenngleich nicht absichtlich geplant, so liegen Forderungen für Kredite, welche eine spanische Sparkassengruppe gegenüber dem Fussballverein Real Madrid erlassen hatte, inzwischen bei der EZB. Die Sparkassengruppe brauchte, als diese aufgrund der Krise in Schieflage geraten war, Liquidität und beschaffte sich diese bei der Europäischen Zentralbank. Als Gegenleistung verlangte die EZB Kreditforderungen als Sicherheiten – und erhielt jene für Ronaldo. Das heisst, es ist die EZB, welche gewissermassen auf den Transferrechten für Cristiano Ronaldo sitzt. Eine höchst kuriose Angelegenheit. Aber eben eine Folge unseres durch die Zentralbanken und deren immer abartiger werdenden, alchemistischen Massnahmen am Leben gehaltenen Papiergeldsystems. Dass Zentralbanken keine marktwirtschaftlichen Akteure sind, wird in zukünftigen Beiträgen überzeugend dargelegt werden. Genauso der Umstand, dass wir uns heute nicht in einem echten und unverzerrten Kapitalismus befinden. Folglich ist es irreführend, realitätsverkennend und unredlich, den Kapitalismus für die heutigen Zustände verantwortlich zu machen. Es ist der von den Zentralbankern praktizierte Geldsozialismus kapitalistischer Prägung, den es zu beenden gilt. Erst wenn dieser gebrochen ist, wird auch der Transfermarkt und mit ihm der Kronprinz Fussball wenigstens in einer Hinsicht wieder gesunden, dessen Kronen wieder etwas gerader gerückt.


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