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Trump – ein Phänomen unserer Zeit




Die einen sehen unsere aufgeklärte, progressive Welt mit der Wahl Donald Trumps buchstäblich in den Abgrund schlittern, die anderen halten das Ergebnis für die einzige Möglichkeit, die westliche Welt mit ihren Werten vor deren Untergang zu retten. Wenn auch in der Analyse vollkommen entzweit, so sind sich zumindest alle einig, eine historische Wahl erlebt zu haben.

Für jedermann positiv zu werten ist sicherlich, dass der gehässig, inhaltslose, repetitive Wahlkampf nun endlich vorüber ist. Während Trump seine Wahlkampfenergie zu einem gewichtigen Teil darauf verwendete, Clinton ihrer Nähe zum politischen Establishment zu schimpfen, schleuderte die Vertreterin der Demokraten ihrerseits zahlreiche persönliche Anschuldigungen gegen ihren Kontrahenten. Inhaltliche Debatten waren Mangelware. Und die wenigen, die geführt wurden, nicht sonderlich tief – ein Umstand, den viele gramvoll beklagten. Der Hauptgrund, dass Trump am Ende als Sieger hervorgegangen ist, lässt sich wohl am trefflichsten mit den folgenden Worten des bereits verstorbenen US-Schriftstellers und Journalisten H. L. Mencken beschreiben: „Schon seit langem weiss man, dass das normale Volk einer Demokratie niemals für etwas stimmt, sondern immer gegen etwas.“ (übersetzt durch Autor)

Trump hat es geschafft, sich als ernst zu nehmende Kraft gegen das Establishment zu positionieren. Ob er denn wirklich anti-establishment ist, wird sich nun zeigen müssen. Vorab sind nüchtern betrachtet doch einige Indizien auszumachen, die darauf hindeuten, dass er nie wirklich anti-establishment gewesen ist oder dieser Eigenschaft spätestens mit dem Einzug ins Weisse Haus verlustig gegangen ist. In der Tat skeptisch macht die Tatsache, wonach der 45. Präsident der USA sein Vermögen in der amerikanischen Immobilienbranche gemacht hat, indirekt als auch direkt durch den Staat subventioniert worden ist und während seiner Lebenszeit immer wieder abwechselnd die Partei der Republikaner als auch diejenige der Demokraten finanziell unterstützt hat. Natürlich betreffen diese Beispiele seine Vergangenheit; einer Vergangenheit, von welcher man sich bekanntlich lossagen kann – oder aber man immer wieder eingeholt werden kann.

Misstrauisch machen einige Aussagen und Handlungen, die Trump in seiner erste Woche als frischgebackener Präsident bereits gemacht hat. Einige Punkte, wie beispielsweise das Einreiseverbot für Muslime und die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens, mit denen Trump Wahlkampf betrieben hat, wurden kommentarlos von seiner Homepage gelöscht. Auch hat er angekündigt, wie das noch vor der Wahl der Fall war, die von Obama eingeführte Gesundheitsreform aus Respekt vor der Arbeit seines Vorgängers nicht vollständig fallen lassen zu wollen. Wenn auch die politische Kehrtwende in diesen Punkten nicht zwingend einem gigantischen Machtgewinn aufseiten des Establishments gleichkommen muss, so können derartige politische Relativierung Trumps allemal als allzu bereitwilliges Kuschen seinerseits vor den Eliten interpretiert werden. Dass Trump den Dodd-Frank-Act, die 2010 in der Grösse eines dicken literarischen Wälzers erlassenen Finanzregulierungen, rückgängig machen will, wird ihm natürlich als ein das Establishment stärkendes Vorhaben ausgelegt. Seine Liste bevorzugter Kandidaten für sein Übergangsteam mit zahlreichen Beratern und Lobbyisten aus dem Umfeld des Grossunternehmertums und der Wall-Street-Finanzwelt verstärken den Vorwurf, nicht wirklich anti-establishment zu sein. Zudem fällt auch ins Auge, dass einige der genannten Köpfe bereits während der Bush-Administration gewirkt haben – eine Ära, die rückwirkend keinesfalls als wirklich anti-establishment zu bewerten ist.

Trump reüssierte deshalb darin, sich überzeugend als Anti-Establishment-Kandidat in Stellung zu bringen, weil er sich als Messias für eine unter Vertrauensverlust leidende Kaste inszenierte. Als Unternehmer ist Trump eben nicht Politiker; deren spezifischen Laster, Tücken und Macken sind ihm somit fremd. Und doch hat er eine politische Agenda: das politische Ziel, Amerika wieder stark werden zu lassen. Um dieses Ziel jedoch zu erreichen, bedarf die Politik allerdings nicht weiterer Politiker, meinte Trump. Vielmehr braucht es einen Unternehmer, der sich der Politik annehmen soll, um diesen trägen, erlahmenden Laden namens Politik wieder in Schwung zu bringen. Immerhin sei es seine vornehme Pflicht, dem Land, das ihm so viel gegeben hat, etwas zurückzugeben.

Dieses Sendungsbewusstsein selbstbewusster Unternehmer, in die Politik gehen zu müssen, ist keineswegs ein auf Amerika beschränktes Phänomen. Auch in Europa lassen sich derartig heroisch anmutende Realisierungsvorhaben eigener Berufungen beobachten. In Deutschland sind mit Lencke Steiner und Thomas Sattelberger zwei Unternehmer in die Politik eingestiegen. Hierzulande sorgten Magdalena Martullo-Blocher sowie Roger Köppel mit ihrer Bekanntgabe, politische Ämter wahrnehmen zu wollen, für Furore. Letzterer beschrieb sein Vorhaben besonders pathetisch mit den Worten „er können nicht weiter an der Seitenlinie zuschauen und Däumchen drehen, während die Politiker allerlei Unfug betreiben. Ihn dränge es aufs Spielfeld, ins Getümmel hinein, dorthin, wo die Politik bestimmt und umgesetzt wird.“

Wie so oft bedingen in unsere durch das Gesetz von Ursache und Wirkung bestimmte Welt gewisse Handlungen automatisch weitere Handlungen. Kommt es zu einer Häufung einer Erscheinung, tritt auf diese Anhäufung eine Gegenreaktion ein. So ist auch das starke Handlungsbedürfnis von Unternehmern eine Reaktion darauf, dass das Vertrauen in heutige Politiker zunehmend im Schwund begriffen ist. Entweder, so die Sicht derjenigen, welche der Politik grundsätzlich eher wohlgesinnt sind, werden politische Repräsentanten als prinzipiell unfähig angesehen oder aber ihnen werden sogar böswillige Absichten und Machenschaften in Form klientelistischer Korruption und Verfilzung unterstellt. Vermisst werden die wirksamen und aufrichtigen Staatsmänner, wie ehemals Willy Brandt, Konrad Adenauer oder auch Ludwig Erhard einer war.

Dass die Politik als übergeordnetes Gefäss heute vielen als untauglich erscheint, hat seinen Grund. Ein wenig überzeugender ist es anzunehmen, heutzutage würden lediglich unfähige Menschen in die Politik gehen. Doch politisches Unvermögen ist nicht bloss darauf zurückzuführen, wonach gegenwärtig eben die Falschen zu Politikern werden. Eine mit „richtigen Politikern“ bevölkerte Politik würde nicht fähiger.

Der Grund liegt im System, sprich in der Tatsache begründet, dass die Sphären der Politik, deren Kompetenzbereiche und Obliegenheit immer mehr ausgedehnt, ja überdehnt werden. Werden die politischen Aufgabengebiete und mit ihr die Anforderungen an die Politik immerzu ausgeweitet, wird die von der Politik zu schulternde Komplexität ständig grösser. Es liegt in der Natur der Politik, dass diese aufgrund ihres bevormundenden Zwangscharakters (Politik basiert naturgemäss auf Zwang, da diese immer dann zum Zuge kommt, wenn mittels Freiwilligkeit keine Handlung zustande kommt) stets eine Interventionsspirale anstösst, die ihrerseits die Komplexität künstlich mehrt und so eine unnatürliche Kompliziertheit schafft. Folglich wächst die Politik ihren Akteuren über den Kopf, und die Politiker bedienen sich in ihrer Ohnmacht nicht feinabgestimmter Pauschalrezepte, welche sie in Form generell-abstrakter, verkürzter und lückenhafter Gesetzessammlungen einer gegebenen Thematik überstülpen. Damit schaffen sie allerlei falsche Anreize und Verzerrungen, ungedeckte Gesetze und in sich widersprüchliche Normen, die wiederum Rechtsunsicherheit sowie Rechtsverunsicherung befeuern und von jenen ausgenutzt werden können, die über Insider- oder sonstiges Expertenwissen verfügen – was natürlich beim „Big Business“ als auch den Politikern selber häufig der Fall ist. Gewiss ist es rational, wenn diese Möglichkeiten genutzt werden. Wohl aber verstärken sie den Eindruck bei der normalen Bevölkerung, Politikerkaste als Heuchler mit perfider Doppelmoral zu sehen, die mit den Mächtigen und Starken der Privatwirtschaft unter einer Decke steckt. Diese erst durch das System in diesem Ausmass ermöglichten Mauscheleien, die Verfilzung und das überhebliche Obrigkeitsgetue werden zurecht als verabscheuenswürdig und einem politischen Fussvolk gegenüber als arrogant, abgehoben und unwürdig angesehen.

Ausser Frage steht, dass die Überdehnung der politischen Sphären in ihrer jetzigen Dimension nur aufgrund eines staatlichen Geldsystems möglich ist. Durch das Ausgeben von Staatsanleihen, die nicht zurückbezahlt werden, sondern kraft eines weltweiten Kartells der Zentralbanken monetarisiert werden, können sich die Politiker über die ihnen eigentlich heute zur Verfügung stehenden Mittel verschulden. Diese Möglichkeit, über einen dem normalen Bürger fremd erscheinenden und vollends undurchsichtigen Markt Geldmittel beziehen zu können, dessen korrigierende und natürliche Begrenzungsmechanismen aufgrund etlicher Verzerrungen arg geschwächt sind, verschafft den Politikern noch grössere Unabhängigkeit. Hätten diese immer für alle von ihnen versprochenen politischen Aktionen bei den Bürgern die hohle Hand zu machen, wäre das Sättigungspotenzial schnell erreicht. Nicht so, wenn einem der Geldhahn offen steht.

Die einzige Möglichkeit, die Politiker von ihrem hohen Ross herunterholen zu können, ist, die amtierenden Politiker abzustrafen. Oder aber, wie bei diesen amerikanischen Wahlen, den angestauten Frust an demjenigen Kandidaten abzuarbeiten, welcher eben das Establishment repräsentiert. Anderweitig das System grundlegend in Frage zu stellen, bleibt den Bürgern verwehrt.

Allerdings muss ohnehin angezweifelt werden, ob sie es denn wirklich nachhaltig ändern würden, wenn die Bürger dazu in der Lage wären. Zu fest scheint derzeit die trügerische Illusion in den Köpfen der Menschen verankert zu sein, dass Politik die Lösung für die gegenwärtigen Probleme ist. Zu stark sind die Sachzwänge, welche einen Umschwung möglich machen würden, stehen doch zu viele Menschen in einem direkten oder indirekten Abhängigkeitsverhältnis zur Politik, die finanziert, subventioniert, fördert, protegiert oder lenkt. Trotz solch trüber Aussichten gilt es, umso dezidierter gegen diese störrische Vorstellung der Politik als pragmatisches Wirksamkeitsinstrument argumentative vorzugehen. Nicht eine andere Politik, sondern weniger Politik ist die Zauberformel.

Politik ist das Verfahren des Diktats, Zwangs und der Bevormundung. Daran vermag auch ein noch so guter Unternehmer nichts zu ändern. Die Politik vermag keine wirklichen Veränderungen anzustossen. Bedauerlicherweise wird diese Realität leichtfertig übersehen oder aber aufgrund ahnungslosen Wunschdenkens missachtet. Doch schon der bedeutende Soziologe Max Weber hat die Politik als das Bohren harter Bretter beschrieben. Dass dieses ohnehin schon mühselige Bohren in einer wegen monetärer Verzerrungen aus den Fugen geratene Politik noch viel beschwerlicher und sinnlos wird, verstehen gemeinhin noch weniger Menschen. Spätestens der von einer Anfangseuphorie getriebene Unternehmer wird im Zuge seines Wirkens als Politiker durch seine Erfahrungen auf den bitteren Boden der Realität zurückgeholt. Breite Ernüchterung ist dem Unternehmer gewiss, operiert die Politik nun mal nach diametral anderen Mechanismen, als er sie aus der Privatwirtschaft kennt. Wie Ludwig von Mises, der wohl brillanteste Ökonom des 20. Jahrhunderts darlegt, hat die Politik keine Anreize, nachhaltig und effizient zu sein. Und selbst wenn sie diese hätte, so ist die Politik aufgrund ihrer systemimmanenten Strukturen nicht dazu in der Lage, da sie nicht nach den ökonomischen Gesetzen der Marktwirtschaft funktioniert. Da echte Marktpreise fehlen und somit bloss unvollständige Angebots- und Nachfrageüberlegungen Eingang in die bürokratische Aufwand- und Ertragsbewertung finden, mutiert der Unternehmer zum Betriebsführer, der infolge eines Mangels an ökonomischen Bewertungsgrundlagen oft willkürlich zu entscheiden hat. Es ist also viel wahrscheinlicher, dass der Unternehmer der viel eher zum Politiker oder eben Betriebsführer wird, als dass die Politik unternehmerischer wird.

Das ist die bittere Wirklichkeit, die auch der strebsamste und hervorragendste Unternehmer anerkennen muss. Auch Trump wird diese Erfahrung machen. Und mit ihm seine Wählerschaft, die so einiges für möglich gehalten hat, nur um dann zu merken, wie vieles Fiktion geblieben ist. Das ist die eine Quintessenz dieses kurzen Essays. Die andere, die weitaus wichtigere, ist jene Erkenntnis, dass es zur ersten nie hätte kommen müssen. Denn das Phänomen Trump ist ein Kind unserer Zeit. Die Überdehnung der Politik mit ihren monetären Verzerrungen als Hauptursache forciert den Vertrauensverlust derselben, was verständlicherweise Gegenreaktionen hervorruft, die ohne radikale Änderung des Systems ihrerseits wohl immer radikaler werden. Unabhängig davon, welche realen, schwer abzuschätzenden Konsequenzen Trump als Präsident haben wird, es ist zu hoffen, dass Menschen das eigentliche Übel hinterfragen: Das Übermass an Politik!

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