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Teil V - Bitcoin: Geld, Gold oder Garnichts?


Bitcoin wird von einigen als digitale Alternative zu Gold angesehen wird, da die Kryptowährung dem gelben Edelmetall nachempfunden sein soll. Nicht selten wird Bitcoin daher als das digitale Gold bezeichnet.


Ähnlich wie Gold müssen auch Bitcoin geschürft werden, nur eben digital. Die Herstellung neuer Bitcoin erfordert die Aufwendung externer Energie (Strom) und verursacht deshalb Kosten. Je mehr Bitcoin man schöpfen möchte, desto stärker steigen deren Grenzkosten in der Produktion. Dem Bitcoin liegt also eine digitale Knappheit zugrunde. Im Unterschied zu Gold ist Bitcoin allerdings auf eine absolute Gesamtmenge begrenzt, die durch den Bitcoin-Programmiercode festgelegt ist: So wird es nie mehr als 21 Millionen Bitcoin geben, die allesamt im Jahr 2140 geschürft sein sollten. Bitcoin ist so programmiert, dass ungefähr alle zehn Minuten eine gewisse Anzahl neue Bitcoin geschaffen wird. Seit der Entstehung 2008 nimmt diese Menge neugeschaffener Bitcoin alle vier Jahr um die Hälfte ab. Heute sind wir bei 12,5 Bitcoin – 2020 werden es noch 6,25 sein, 2024 noch 3,125 und so weiter.


Ist Bitcoin Geld?


Neben Gold wird Bitcoin auch als Geld beschrieben. Doch ist es das überhaupt? Und ist Gold etwa Geld? Die Verwirrung scheint heute schon perfekt zu sein und Bitcoin verkompliziert die Geldtheorie nur noch mehr.


In den Worten des wohl scharfsinnigsten Geldtheoretikers des 20. Jahrhundert, Ludwig von Mises, ist Bitcoin am ehesten als Zeichengeld zu beschreiben, das ein Sachgeld technisch imitiert. Die bedeutendsten Sachgelder sind Gold und Silber. Da ein Sachgeld in seinem natürlichen Vorhandensein knapp ist, steigen dessen Grenzkosten in der Produktion schneller, als dies bei anderen Gütern der Fall ist. Im Vergleich zu gewöhnlichen Gütern, ist die Skalierung eines Sachgeldes somit deutlich schwerer.

Ob Bitcoin als Geld angesehen werden kann, hängt letztlich von den Definitionen ab. Der heute gesellschaftlich dominierende Tenor des Positivismus wertet Bitcoin nicht als Geld. Dem positivistischen Ansatz zufolge ist nur Geld, was durch staatliche Institutionen gesetzlich als Geld anerkannt und eingesetzt ist – die staatlichen Währungen also.


Nimmt man eine andere Perspektive ein, wonach Macht nicht vor Recht gehen muss und Geld nicht zwingend nur deshalb Geld ist, weil es durch ein gesetzliches Mandat alias Zwang verordnet ist, kann man sich dieser Frage wiederum auch mit der Brille des Ökonomen von Mises nähern. Dieser nennt Geld das allgemein akzeptierte Tauschmittel. Auch dieser Definition folgend müsste man zum Schluss kommen, dass Bitcoin wahrscheinlich kein Geld ist. Denn allgemein akzeptiert sind heute ebenfalls die staatlichen Währungen – wesentlicher Grund dafür ist wiederum deren gesetzliche Privilegierung.


In der Diskussion mit eingefleischten Bitcoin-Jüngern ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Schon seit einigen Jahren findet die Kryptowährung in der Community als Tauschmittel Verwendung. Darüber hinaus wird sie sogar als Lohnbestandteil akzeptiert. Auch als Wertaufbewahrungsmittel setzen nicht wenige auf den Bitcoin. In den Augen der Bitcoin-Enthusiasten bestehen keine Zweifel: Bitcoin ist Geld.

Wie also ist dieses vermeintliche Dilemma aufzulösen? Eine Antwort findet sich bei Friedrich August von Hayek, einem österreichischen Ökonomen, der sich selber auch als Philosoph, Anthropologe und Historiker gesehen hat. In seinem Werk «Die Entnationalisierung des Geldes» weist er auf folgenden weit verbreiteten Irrtum hin: Geld werde gemeinhin als Nomen verwendet, obschon man den Begriff eigentlich als Adjektiv verstehen müsse, so Hayek.


Nach Hayek gibt es also vielmehr eine «Geldigkeit» von Dingen, da Geld letztlich eine Eigenschaft ist, welche die verschiedensten Güter aufweisen können. Geld ist keine in Stein gemeisselte Grösse, die auf Erlass ein für alle Mal festgelegt werden sollte. Denn Menschen befinden sich stets in den verschiedenartigsten Kontexten und sehen sich daher mit den unterschiedlichsten Problemstellungen konfrontiert, weshalb sie unterschiedliche Antworten als Lösungen betrachten und unterschiedliche Angebot daher auch unterschiedliche Funktionalitäten haben.


In Anlehnung an die Theorie der subjektivistischen Wertlehre liegt die Frage «was Geld denn ist» durchaus im Auge des jeweiligen Betrachters. Das bedeutet jedoch nicht, dass gutes Geld völlig beliebig ist. So scheint es in der realen Welt durchaus gewisse Eigenschaften zu geben, die zur Folge haben, dass wenn ein Mittel über diese verfügt, es zur Erreichung eines bestimmten Ziels besser geeignet ist als ein Mittel ohne diese Eigenschaften.


Was Geld zu Geld macht


In Sachen Geld besteht das Hauptziel wohl darin, einen Wert bzw. Nutzen oder auch Kaufkraft zu behaupten – und das über eine möglichst lange Zeitperiode. Das Abstraktum «Geld» wird daher als Geld bezeichnet, weil dessen Grenznutzen im Vergleich zu allen anderen Nicht-Geldgütern am wenigsten stark abnimmt, da es sich bei Geld per Definition um das marktgängigste Gut handelt. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Einen Korb voller Brot nehme ich gerne entgehen, einen zweiten und dritten wohl auch noch. Ein vierter, fünfter und sechster Brotkorb scheint mir schon weniger wert zu sein, da ich dafür jede weitere Einheit an Brot weniger Verwendung sehe. Das ganze Brot wird ungeniessbar, ehe ich es konsumieren kann. Das Brot im Tausch gegen andere Güter zu veräussern, ist ebenfalls mit Kosten verbunden.


Ein Koffer voller IPhone X ist mir da schon lieber, ist das Smartphone doch weniger schnell vergänglich als das Brot. Aufgrund der höheren Absatzfähigkeit (Marktgängigkeit) würde ich wohl einige IPhone X entgegennehmen. Doch letztlich sind auch diese in ihrer Absatzfähigkeit begrenzt, weshalb der Grenznutzen eines jeden zusätzlichen IPhones fallen muss.


Interessanterweise scheint der Grenznutzen für zusätzliche Geldeinheiten kaum zu fallen. Mehr Geld scheint immer gut zu sein, gerade weil es über die höchste Absatzfähigkeit verfügt und diese dauerhaft ist. Aufgrund des weniger stark abnehmenden Grenznutzens werden Geldgüter deshalb gehortet. Das führt zu relativ grossen Lagerbeständen. Das Verhältnis zwischen Lagerbestand und Produktion nennt man in der Ökonomik das Stock-to-Flow-Verhältnis. Der Stock beschreibt die Lagerbestände, während der Flow das in einem Jahr neugeschaffene Angebot des jeweiligen Gutes umschreibt. Edelmetalle haben bis heute das allerhöchste Verhältnis. Dies dokumentieren Jahrtausende des Hortens.


Während Gold ein Stock-to-Flow-Verhältnis von ca. 64 Jahren besitzt, liegt dasjenige von Bitcoin derzeit bei ungefähr 25 Jahren. Das heisst: Mit Rücksicht auf die aktuelle Jahresgoldproduktion bräuchte es 64 Jahren, um die Gesamtheit aller Geldvorräte zu produzieren. Bei Bitcoin wären momentan 25 Jahre vonnöten. Das Stock-to-Flow-Verhältnis von Bitcoin wird sich allerdings in Zukunft erhöhen, da sich die Anzahl neugeschaffener Bitcoins pro Zehn-Minuten-Intervall alle vier Jahre halbiert. Im Jahr 2024 wir das Stock-to-Flow-Verhältnis von Bitcoin ungefähr bei 119 Jahren liegen. Das Stock-to-Flow-Verhältnis von Bitcoin wird dann ceteris paribus um etwa das Doppelte höher sein, als dasjenige von Gold. Für einige macht dies Bitcoin zum ultimativen Wertaufbewahrungsmittel, das preistechnisch künftig sogar Gold überlegen sein soll.


Niemandes Verpflichtung


Die wesentlichste Gemeinsamkeit zwischen Gold und Bitcoin liegt jedoch darin, dass sie innerhalb der symbolischen Vertrauenspyramide der Finanzwelt auf ziemlich gleicher Stufe anzusiedeln sind. Folgende schematische Illustration stammt vom amerikanischen Ökonomen und ehemaligen Vizepräsidenten des New Yorker Fed John Exeter und ist durch Bitcoin ergänzt:

Der ungarische Ökonom Antal Fekete sieht Gold als bedeutendstes Instrument für den Lackmustest des Vertrauens bei Finanzgeschäften. Für ihn bedarf es keines Vertrauensaktes, wenn Gold bei Transaktionen verwendet wird sowie auch keines gesetzlichen Zwanges. Für Bitcoin gilt ähnliches (Ohne Vertrauen kommt auch Bitcoin nicht aus, siehe hier). Der springende Punkt ist: Wie physisches Gold kann auch Bitcoin nicht durch eine Zentralbank inflationiert werden. Weder Gold noch Bitcoin sind jemand anderes Verpflichtung, weshalb sie kein unmittelbares Gegenparteirisiko aufweisen. Wer seine Bitcoin auf einem Hard-Wallet oder seine physischen Goldmünzen zuhause hat, kann auf diese immer Zugreifen und ist nicht auf eine Drittpartei angewiesen. Darüber hinaus sind staatliche Währungen letztlich eine Verpflichtung der Zentralbank. Diese Verpflichtung befindet sich auf der Passiv-Seite der Zentralbankenbilanz. Ihr sind Vermögenswerten auf der Aktiv-Seite gegenübergestellt. Der Schwarze Schwan an der Sache: Verlieren die Vermögenswerte an Wert, hat dies Auswirkungen auf die Verpflichtung bzw. das Vertrauen in die staatliche Währung (genauere Ausführungen zu dieser Thematik, siehe hier).


Eine Kampfansage an Gold?


Aufgrund der Ähnlichkeiten sehen einige Gemüter die Stellung von Gold durch Bitcoin bedroht. So wird spekuliert, dass Gold einen Grossteil seiner Marktkapitalisierung künftig an die Kryptowährung verlieren könnte. Noch liegen die beiden weit auseinander: Während die Marktkapitalisierung von Bitcoin bei etwas über 100 Milliarden Dollar liegt, macht diejenige von Gold über sieben Billionen Dollar aus.


Was spricht dafür, dass Bitcoin – vielleicht sogar auf Kosten des Edelmetalls – immer mehr Boden gegenüber Gold gutmachen könnte? Es ist der Umstand, wonach unser Leben zunehmend digitaler wird. Mit der Entstehung des Internets und der Etablierung von E-Mail hat sich die zwischenmenschliche Kommunikation grundlegend verändert. Heute ist E-Mail bereits out – wohin gegen die direkte Kommunikation in Echtzeit, wie diese von Instant-Messenger aller Art ermöglicht wird, nicht mehr wegzudenken ist. Mit Bitcoin steht eine neue digitale Revolution an: Die Art und Weise, wie Menschen Werteinheiten online teilen.


Für immer mehr Menschen wird das Digitale zur Selbstverständlichkeit (was nicht ohne Gefahren ist). Allen voran die Millennials nehmen hier eine entscheidende Rolle ein. Als «digital natives» ausgewachsen, pflegen und hegen sie von Grund auf einen digitalen Lebensstil. Auf jene Generationen, die nicht in der digitalen Welt aufgewachsen sind, mögen Bitcoin und Kryptowährungen surreal und kurios wirken. Nicht so auf das Gros der sogenannten Google-Kids. Genauso wie sich gewisse weibliche Millennials heute schon zum Valentinstag mehr über einen digitalen, per Smartphone empfangenen Blumenstrauss freuen können, könnte dieser Generation das digitale Gold in Form von Bitcoin realer erscheinen als das echte Gold.


Eine fruchtbare Symbiose?


Die Zukunft muss allerdings nicht zwingend einen bitteren Kampf um die Vormachtstellung zwischen Gold und Bitcoin bringen. Denn letztlich haben beide ihre Trade-Offs. Aufgrund seiner digitalen Natur lässt sich Bitcoin – anders als Gold – auch in grossen Mengen bequem um die ganze Welt verschicken. Auch erschwert die virtuelle Beschaffenheit wohl staatliche Konfiszierung. Andererseits setzt Bitcoin technisches Flair und Knowhow voraus und ist im Vergleich zu Gold anfälliger auf einen potenziellen Strom-Super-GAU. Insofern legt eine sorgfältige Analyse nahe: Gold und Bitcoin stehen nicht im Wettstreit zueinander, sondern ergänzen sich vielmehr. So lassen sie sich auch kombinieren, um das Beste aus beiden Welt zu bekommen. In eine ähnliche Richtung gehen auch sogenannte durch Gold gedeckte Kryptowährungen.


Um tatsächlich als solide Ergänzung zu Gold wahrgenommen zu werden, wird sich der Bitcoin über die nächsten Jahre bis Jahrzehnte noch beweisen müssen. Gold hat seine Werthaltigkeit über mehrere tausend Jahre bewiesen und ist deshalb zu einer Art unabhängige Reserve-Anlage aufgestiegen. Bitcoin seinerseits ist heute gerade mal etwas mehr als neun Jahre jung. Kritiker von Bitcoin weisen zu Recht darauf hin, dass die Kryptowährung bislang nur ein ungewöhnliches Marktumfeld kennt. So haben Zentralbanken in den vergangenen zehn Jahren – also während der Lebensdauer von Bitcoin – mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik für einen allgemeinen Aufschwung bei allerlei Vermögenswerten gesorgt. Gleichzeitig haben sie die Marktvolatilität in den Keller gedrückt und die Risikoeinpreisung auf den Finanzmärkten de facto eliminiert. Wie sich Bitcoin in einem anderen Marktumfeld verhalten würde, ist bis zum heutigen Zeitpunkt ungeklärt. Die kommenden Jahre werden es wahrscheinlich zeigen.












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