Teil IX - Die neue Welt der Krypto-Assets
Kryptowährungen hier, Kryptowährungen da – die ganze Finanzwelt kennt sie mittlerweile, die digitalen Privatwährungen. Hängt Ihnen der Begriff mittlerweile zum Hals raus? Dann geht es Ihnen wie vielen innerhalb der Krypto-Community. Auch sie wollen nichts mehr von Kryptowährungen hören – zumindest nicht in dem generalisierenden Zusammenhang, in dem von ihnen viel zu oft gesprochen wird. Bitcoin und Konsorten werden gemeinhin als Kryptowährungen bezeichnet – doch das ist eine unpräzise Verallgemeinerung.
Sammelsurium an Privatwährungen
Als Überkategorie handelt es sich bei Krypto um eine neue Vermögensklasse, die Aktien, Anleihen oder Rohstoffe ergänzt. Innerhalb der Krypto-Anlagewelt gibt es aber entscheidende Differenzen. Kryptowährungen sind zwar der bekannteste Anwendungsfall der Blockchain-Technologie, doch gibt es noch weitere: von Plattformen für Software-Entwickler über Finanzanwendungen wie Wertschriftenhandel oder Kreditgeschäft bis hin zu Logistiknetzwerken, dezentralisierter Datenspeicherung und selbstverwalteten digitalen Identitäten.
Lidia Bolla, Managing Partner beim Krypto-Vermögensverwalter vision&, spricht darum generell von «Krypto-Assets». Dies auch deshalb, weil zum heutigen Zeitpunkt bei vielen Krypto-Projekten kaum abschliessend gesagt werden kann, welchem Segment sie zuzuordnen sind. Bei vielen Krypto-Assets handelt es sich um Internetprotokolle, deren Fundament eine kryptografisch gesicherte, dezentralisierte Datenbank ist, die sogenannte Blockchain.
Bitcoin war das erste offizielle Krypto-Asset und wurde in seinem Thesenpapier auch als elektronisches Peer-to-Peer Zahlungssystem charakterisiert. Da kryptografische Verfahren wesentlicher Bestandteil des Bitcoins sind, wurde diese neue Währung als sogenannte Kryptowährung kategorisiert. Mittlerweile gibt es unzählige weitere mit dem erklärten Hauptziel, als digitales Tauschmittel zu funktionieren. Prominente Beispiele sind: Bitcoin Cash, Litecoin, Byteball, Feathercoin oder Dodgecoin. Ein Massenphänomen sind diese allerdings noch nicht, dazu fehlt ihnen bislang die Skalierbarkeit ihres technischen Unterbaus.
in anderes Hauptanliegen verfolgen die Privacy- oder AnonCoins. Zu ihnen gehören Monero, Zcash, Dash oder Komodo. Diese fungieren als nicht-nachverfolgbares Digitalgeld zum Schutz der Privatsphäre. Aufgrund ihrer Anonymität werden derartige Kryptowährungen auch mit digitalem Bargeld verglichen. Gegenwärtig wird der Bitcoin von vielen als Wertaufbewahrungsmittel angesehen. Für andere ist er dies wegen hoher Preisvolatilität eben gerade nicht. Treffender wäre es daher, den Bitcoin als innovativen, wenngleich volatilen Wertaufbewahrungsversuch einzuordnen. Das Ziel nachhaltiger Wertaufbewahrung verfolgen auch die sogenannten Stablecoins. Am populärsten sind Tether, Circle, MakerDao, Basis sowie DigixDao. Obwohl unterschiedlich in ihrem Ansatz, beabsichtigen sie alle, ihren Wert im Vergleich zu staatlichen Währungen wie dem Dollar konstant zu halten. Deren Volumen und Relevanz sind zurzeit allerdings noch gering.
Unbestritten ist: Was der US-Dollar für das von staatlichen Währungen dominierte System ist, verkörpert der Bitcoin für die Krypto-Welt: die Reservewährung. Nur der Ether hat diese Funktion ebenfalls noch inne. Wer in die zahlreichen Krypto-Assets investieren will, hat hierfür meistens zuerst Dollar, Euro oder Yen in Bitcoin oder Ether umzuwandeln, bevor man damit andere Tokens kaufen kann.
Plattform-Token
Der Ether ist jedoch vor allem aus einer anderen Perspektive interessant: So stellt er das «Krypto-Fuel» für das Ethereum-Netzwerk dar. Die Währungsfunktion tritt in den Hintergrund, während Smart Contracts, programmierbare und daher selbst exekutierende Verträge, in den Vordergrund rücken. Ethereum gilt daher als Krypto-Plattform. Diese fungiert als dezentralisierte Entwicklungsplattform und dient Programmierern dazu, die unterschiedlichsten DApps (dezentralisierte Applikationen) zu entwickeln. Interessanterweise sind jene Krypto-Assets mit der höchsten Marktkapitalisierung Plattform-Assets. Die bekanntesten neben Ethereum sind: EOS, Cardano, NEO, NEM, IOTA und ICON. Auch die Bitcoin-Community arbeitet an einer Plattform namens Rootstock, welche Smart Contracts für Bitcoin ermöglichen soll.
Krypto für die Finanzwelt
Ebenfalls ein prominenter Anwendungsfall unter den Krypto-Assets ist jener von Finanzanwendungen. Allen voran die Projekte Ripple und Stellar, welche den globalen Zahlungsausgleich innerhalb des Interbankenmarktes günstiger, effizienter und vor allem schneller machen wollen. Als Zahlungslösung der Zukunft sehen OmiseGo, RequestNetwork oder das InkProtocol. Auch das Handels- und Börsengeschäft spielt in der neuen Krypto-Welt eine entscheidende Rolle. Hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung, wonach immer mehr physische Assets tokenisiert werden und somit durch eine Art korrespondierendes Krypto-Asset ergänzt werden, scheinen Projekte wie der Binance Coin, Huobi Token oder Bibox Token aussichtsvoll positioniert zu sein. Auf das Kreditgeschäft abgesehen haben es Nexo und SALT.
Token für ein Web 3.0
In der Zwischenzeit erstreckt sich das Krypto-Phänomen auch über unterschiedlichste Projekte, die nur indirekt oder überhaupt nicht mit dem Finanzsektor in Verbindung stehen. So versucht sich Siacoin in der Dezentralisierung von Datenspeicherung. Steem oder Mithril arbeiten auf ein dezentrales Ökosystem für Soziale Netzwerke hin. Des Weiteren ermöglicht die Krypto-Welt ganz neue Geschäftsmodelle und Anwendungsfälle, die bislang überhaupt nicht möglich gewesen sind. Beispielsweise die Möglichkeit zur Selbstverwaltung einer eigenen digitalen Identität, wie von Valid oder Civic vorgesehen. Oder ein Marktplatz für das Teilen und die Monetarisierung von persönlichen Daten, eine Idee, die Streamr verfolgt. Weitere interessante Anwendungsfälle sind Augur, eine dezentralisierte Prognosemarkt-Plattform oder Golem, ein Markt für die Monetarisierung ungenutzter Computerkapazität.
Im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Krypto-Assets fällt auch immer der Begriff des Tokens. Was ist damit gemeint und wofür soll sein solcher Token gut sein? Es handelt es sich dabei letztlich um eine digitale Wertmarke, die in irgendeiner Weise mit einer Geschäftsidee, einem Projekt, einem Unternehmen in Verbindung steht. Auf unterschiedlichen Handelsbörsen lassen sie sich wie Aktien kaufen oder verkaufen. Vielfach ermöglicht ein Token exklusiven Zugang zu einem Internetprotokoll, letztlich zu einem Netzwerk, das durch die Blockchain-Technologie und deren dezentralisierte Datenbank aufrechterhalten wird.
Vielfalt der Token-Arten
Token ist allerdings nicht gleich Token. So gibt es den Coin, der die Funktion einer Währung innehat. Im Gegensatz zu konventionellen Währungen wird dieser Coin nicht durch eine Zentraleinheit herausgegeben, sondern entsteht durch das Mining unterschiedlicher am System teilhabender Akteure. Dabei investieren diese stromintensive Rechenleistung, um das jeweilige Zahlungsnetzwerk aufrechtzuerhalten. Als Belohnung erhalten sie die neu geschürften Coins. Das prominenteste Beispiel ist der Bitcoin. Die Finanzmarktaufsicht der Schweiz spricht bei dieser Art Coin von Zahlungs-Token.
Der eigentliche Token ist vielmehr mit einem Gutschein, Coupon oder Ticket zu vergleichen. Beispielsweise ein Kinoeintritt, der Zutritt in den Kinosaal gewährt. Ausserhalb des jeweiligen Kontextes hat er keinen Wert. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Token-Arten. Unter dem Utility-Token werden diejenigen Token verstanden, die digitalen Zugang zur Nutzung eines Blockchain-Netzwerkes ermöglichen. Davon abgesehen, scheint dieser Token keinen anderen Nutzen zu haben. Etwas salopp spricht man in diesem Zusammenhang deshalb auch von «Krypto-Fuel», dem Treibstoff für das Netzwerk. Als Beispiele werden hier häufig Ether oder IOTA genannt. Um diese Kategorie zu beschreiben, verwendet die Finma den Begriff des Nutzungs-Token.
Eine zweite Art ist der Security-Token. Als solche werden sämtliche Arten von handelbaren Vermögenswerten bezeichnet. Ausschlaggebend ist, dass diese Art von Token durch einen physischen Gegenwert gedeckt ist und letztlich eine Einlösungspflicht besteht. So können Inhaber eines entsprechenden Security-Token diesen entweder für ein Edelmetall, ein Luxusgut oder einen Anteil an einer Immobilie einlösen. Ein Beispiel hier ist der DigixDao-Token. Gemäss Finma fallen die Security-Token in die Kategorie der Anlage-Token. Es ist davon auszugehen, dass den Security-Token eine aussichtsvolle Zukunft bevorsteht.
Dann gibt es auch noch den Equity-Token. Der Idee nach verkörpert ein solcher eine digitale Aktie. Über einen Smart Contract, einen sich selbst exekutierenden Vertag auf der Blockchain, sollen potenziell anfallende Dividenden an die Equity-Token-Inhaber ausbezahlt werden – in einer Kryptowährung versteht sich. Wie bei einer Aktie kann der Inhaber an Abstimmungen teilnehmen, die transparent über die Blockchain durchführt werden. Prominentes Beispiel aus der Schweiz: der Modum-Token. In diesem Fall verwendet die Finma ebenfalls den Begriff des Anlage-Token.